Liebig Fellowship Nachwuchsgruppe von Maximilian Roca Jungfer
Die Technetiumchemie spielt eine zentrale Rolle im radiochemischen Kontext von der radiopharmazeutischen Forschung bis hin zur nuklearen Entsorgung. Darüber hinaus stellt sie – bedingt durch die zentrale Stellung des Elements im Periodensystem – einen wichtigen Baustein zur Beantwortung von allgemein chemischen Fragen zum Verständnis von Reaktivitäts-, Struktur- und Eigenschaftsverhältnissen zwischen den umliegenden Elementen dar. Vor diesem Hintergrund führen wir systematische Untersuchungen zur molekularen Chemie des Technetiums durch. Die Arbeiten erfolgen mit dem langlebigen, schwach β--strahlenden Isotop 99Tc. Es reichert sich als eines der Hauptspaltprodukte des Urans in verbrauchtem Kernbrennstoff durch Zerfall von 99Mo über 99mTc an und ist somit in makroskopischen Mengen verfügbar. Das Interessengebiet liegt auf einem Spektrum von simplen anorganischen Liganden wie Oxido-, Nitrido- oder Nitrosylliganden über klassische Organometall-Liganden wie Kohlenmonoxid, Alkyle, Aryle, Alkene, Alkine oder Hydride bis hin zu komplexen Ligandensystemen, die potenziell für Anwendungen in der Nuklearmedizin geeignet sein könnten. Ziel ist es, fundierte Einblicke in die Bindungszustände, Strukturen und Stabilitäten der gebildeten Komplexe zu gewinnen. Explizit werden hierbei auch Modellsysteme entwickelt, die eine systematische Untersuchung von Technetiumliganden-Wechselwirkungen im Vergleich zu den benachbarten Elementen Mn, Re, Mo, W, Fe, Ru oder Os ermöglichen. Auf lange Sicht sollen diese Erkenntnisse als verlässliche Referenzen für das Verständnis der komplexen Speziation von Technetium in verschiedenen anwendungsnahen Feldern fungieren.
Ein besonderer Schwerpunkt ist die systematische Korrelation von Spektroskopie und Struktur der Technetiumverbindungen. Für das Forschungsfeld der grundlegenden Technetiumchemie steht am INE oder in Nachbarinstituten modernste spektroskopische Infrastruktur wie Kernspinresonanzspektroskopie (NMR Spektroskopie), abgeschwächte Totalreflexion Infrarot (ATR-IR) Spektroskopie oder Röntgenspektroskopie (bspw. XANES/EXAFS), sowie Einkristallröntgendiffraktometrie zur Verfügung, die mit theoretischen Methoden wie Dichtefunktionaltheorie (DFT) und ab initio Berechnungen komplementiert werden. Diese interdisziplinäre Herangehensweise ermöglicht es, Technetiumverbindungen vergleichend zu charakterisieren und die oft subtilen, aber für die Chemie des Elements entscheidenden Unterschiede in den Wechselwirkungen zwischen dem Metall und seinen Liganden präzise zu quantifizieren. Untersucht werden unter anderem die gekoppelte Entwicklung theoretischer Methoden mit Einkristalldiffraktometrie, 99Tc NMR Spektroskopie und Röntgenabsorptionsspektroskopie. 99Tc ist ein quadrupolarer, NMR-aktiver 9/2 Kern, der das signifikante Quadrupolmoment partiell durch seinen hohen Kernspin ausgleicht. Die Verbindungen zeigen somit für einen Quadrupolkern vergleichsweise schmale Linienbreiten (10 Hz-20 kHz). Durch die Arbeit mit isotopenreinem 99Tc und seiner gute Ansprechwahrscheinlichkeit (0.3 relativ zu 1H) ist die 99Tc-Kernresonanzspektroskopie somit eine hochspezifische Methode zur Untersuchung diamagnetischer Technetiumverbindungen.
Die Arbeiten erfolgen als Kooperation im Rahmen eines Liebig-Stipendiums des Fonds der Chemischen Industrie unter der Leitung des unabhängigen Nachwuchsgruppenleiters Dr. Maximilian Roca Jungfer und sind in verschiedene nationale und internationale, sowie universitätsinterne Kooperationen integriert.
Ansprechpartner:
| Dr. Maximilian Roca Jungfer |
| +49 721 608 25822 |
